Selbstvertrauen oder Selbstwert - was denn nun?
Es gibt ihn tatsächlich, einen Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Selbstwert. Dieser Unterschied ist sogar sehr beachtlich. Sowohl für die Erziehung und Begleitung unserer Kinder, als auch für Jugendliche und Erwachsene, wenn Sie an Ihrem Selbstbewusstsein arbeiten möchten.
Der Selbstwert ist das mentale Fundament unseres Lebens. Alles, was wir fühlen, denken und tun, beruht auf dem Selbstwert. Er ist die Grundlage unserer Selbstwahrnehmung.
Und das Selbstvertrauen? Selbstvertrauen speist sich aus Fähigkeiten und Fertigkeiten; also unserem Tun, was wir machen und können.
Sie sehen: Selbstvertrauen und Selbstwert unterscheiden sich grundlegend voneinander. Sie sind so verschieden wie Tag und Nacht. Das eine hat seinen Ausgangspunkt in dem, was wir tun. Der andere in dem, was wir sind. Um einen Überblick zu bekommen, habe ich die Bedeutungen der beiden Begriffe hier zusammengefasst:
Beim Selbstvertrauen (aus den Fähigkeiten)
- geht es um das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
- geht es um das eigene Tun.
- geht es darum, was wir können.
- geht es darum, die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Beim Selbstwert (aus den Eigenschaften, wer wir sind)
- geht es um das Erleben und die Erkenntnis, wertvoll zu sein.
- geht es um das eigene Sein.
- geht es darum, was wir sind.
- geht es darum, die eigenen Eigenschaften anzuerkennen.
Was heißt das konkret?
Selbstvertrauen zeigt sich in Haltungen wie:
- „Ich vertraue auf das, was ich kann. Ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten.“
- „Ich habe eine Begabung. Beispielsweise kann ich gut … „
- „Andere brauchen mich, weil ich … und … gut kann.“
- Ich kann mich mit anderen messen. Ich erfülle die Erwartungen, die ich selbst und andere an mich haben.“
- „Ich bewältige die Aufgaben die andere an mich haben.“
- „Ich gebe mir Mühe. Dafür respektiere ich mich und verdiene es, dass andere mich respektieren.“
- „Ich erkenne meine Leistungen an.“
- „Was ich mache, mache ich gut.“
- „Meine Leistungen kann ich mit denen anderer messen.“
- „Was ich erreicht habe, ist bemerkenswert. Dafür wird man lange an mich denken. (wenn ich eine Auszeichnung bekommen habe).“
Selbstwert zeigt sich in Äußerungen wie:
- „Ich bin ein wertvoller Mensch und habe wertvolle Eigenschaften.“
- „Ich mag mich.“
- „Ich bin für mich und andere wertvoll, weil es mich gibt. Man hat mich gern.“
- „Ich bin wie ich bin – im Guten wie im Schlechten.“
- „An mir ist alles so, wie es sein soll.“
- „Ich bin es wert, respektiert und geliebt zu werden.“
- „Die Welt wäre nicht dieselbe, ohne mich.“
- „Ich bin einzigartig und unersetzlich.“
- „Ich bin gleichwertig mit meinen Mitmenschen.“
- „Ich würde vermisst werden, wenn es mich nicht mehr gäbe.“
Diese Aufzählungen sollen zeigen, wie unterschiedlich die Begriffe in ihrer Bedeutung sind.
Selbstvertrauen und Selbstwert sind nicht angeboren.
Beide bilden sich erst im Laufe unseres Lebens aus Lern- und Erfahrungsprozessen. Aus diesen Erfahrungen entwickeln wir unser eigenes Selbstbild und stellen Erwartungen an uns. Beiden ist außerdem gemeinsam, dass sie aus Vergleichen entstehen, indem wir die verschiedenen Seiten in uns selbst gegenüberstellen und in ständigen Vergleichen mit anderen Menschen. Wir messen uns, berechnen unsere physischen und psychischen Fähigkeiten und grenzen sie ab, von denen anderer Menschen in unserem Umfeld, vergleichen und ordnen ein.
Wesentlich ist, dass wir beim Vergleichen und auf der Suche nach Veränderungen beginnen, unsere Eindrücke zu interpretieren, zu bewerten, beurteilen und Schlüsse daraus ziehen. Wir fällen praktisch bei jedem Vergleich auch ein Urteil. Entscheiden dabei ist, ob wir uns dabei auf unsere Fähigkeiten und Handlungen beschränken oder auch unsere Eigenschaften einer Kritik unterziehen.
Das vergleichen und bewerten von Eigenschaften, sie zueinander in Konkurrenz zu stellen, kann das Selbstwertgefühl ernsthaft schwächen. Es ist ein enormer Unterschied, ob Sie von sich denken: „Ich bin schlecht darin, mein Auto zu reparieren.“ oder ob Sie denken „Ich bin ein schlechter und wertloser Mensch.“.
Selbstwert – fundamentale Eigenschaften
Eigenschaften sind alles das, womit wir zur Welt kommen und was sich daraus entwickelt: unser Geschlecht, die Körpergröße, das Aussehen, die Hautfarbe, Stimme, das Temperament. Ebenso die Gefühle und unsere Charakteristika, mit denen wir uns und andere Menschen beschreiben. Beispiel: „Ich bin ein fleißiger Mensch.“.
Der Selbstwert dehnt sich auch auf Eigenschaften aus, die wir uns angeeignet haben, bspw. durch eine Ausbildung, oder zu etwas, zu dem wir berufen wurden (Minister, Vorstandsvorsitzender).
Die Art und Weise wie wir unsere Eigenschaften erleben hat großen Einfluss auf unsere Identität. So kann es passieren, dass unsere Identität ins Wanken gerät, wenn unsere Eigenschaften durch uns oder andere ernsthaft angezweifelt werden.
Zu den angeborenen Eigenschaften zählen auch Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Intro- oder Extrovertiertheit sowie die Anlagen zu den verschiedenen Intelligenzen (emotionale, musikalisch-rhythmische, praktische, ästhetische, … Intelligenz), u.v.m. Wie weit wir diese Eigenschaften zur Entfaltung bringen und ihnen eine Rolle in unserem Leben zuweisen, oder ob sie ein Schattendasein fristen, ist eine andere Frage.
Angeborene Eigenschaften können wir fördern oder ignorieren – aneignen können wir sie uns nur, wenn wir auch den Hauch eine Anlage dafür bereits in uns haben.
Selbstvertrauen besteht aus Fähigkeiten
Fähigkeiten in diesem Zusammenhang sind alles das, wozu wir unseren Körper und unseren Geist einsetzen. Das, was wir mit Worten oder Taten machen (singen, laufen, tanzen, stricken, lesen, rechnen, schreiben … ). Wir setzen unsere Fähigkeiten dazu ein, Aufgaben zu lösen und Dinge zu tun. Dabei kann es sein, dass besondere Fähigkeiten auch besondere Eigenschaften voraussetzen, bspw. kann nur eine Frau (Eigenschaft) ein Kind gebären (Fähigkeiten).
Die Fähigkeiten entwickeln wir auf der Grundlage der Eigenschaften. Diese sind das Fundament der Fähigkeiten.
Die Kombination von angeborenen und erlernten Eigenschaften machen uns zu dem einzigartigen Menschen, der wir sind. Angeborene Eigenschaften haben Initialfunktion und bilden damit die Grundlage unserer Persönlichkeit, auf die wir immer weiter aufbauen können. Im Laufe unseres Lebens fügen wir neue Eigenschaften hinzu und erweitern unsere Fähigkeiten.
Die angeborenen Eigenschaften können nicht verändert werden. Es ist einzig möglich sie zu variieren, indem wir sie betonen oder kontrollieren. Ganz ablegen können wir sie nicht.
Eigenschaften und Selbstwert hängen zusammen. Das Selbstwertgefühl ergibt sich daraus, wie wir unsere Eigenschaften wahrnehmen und akzeptieren. Ein gesunder Selbstwert ergibt sich, wenn wir unsere einzigartige Kombination aus Eigenschaften akzeptieren und annehmen. Wir können unser Selbstwertgefühl stärken, indem wir unsere Eigenschaften entfalten, uns daran erfreuen, sie anerkennen und stolz darauf sind. Und wenn wir spüren, dass das auch Menschen in unserem Umfeld tun, steigert das ebenso unser Selbstwertgefühl.
Ein schwacher Selbstwert entsteht, wenn wir unsere Eigenschaften ernsthaft anzweifeln, sie bewerten und als ungenügend einstufen. Zum Beispiel dadurch, dass wir uns ständig mit anderen Menschen vergleichen und hinterfragen, ob es in Ordnung ist, rothaarig, klein, schmalschultrig zu sein, an diesem Ort zu leben oder diese Musik zu mögen.
Ein sicheres Zeichen für einen geringen Selbstwert ist, wenn wir beschämt reagieren, weil wir evtl. nicht schnell eine Antwort parat haben, oder unser Aussehen oder unser Auftreten als ungenügend einschätzen. Wer seine Eigenschaften ständig infrage stellt, ist auf dem besten Weg zu einem mangelhaften Selbstwertgefühl.
Aussagen wie:
- Paul ist immer viel besser als ich
- wäre ich doch wie Anne
- bin ich eine gute Mutter
- bin ich zu alt für die Kreativecke
- ich hasse meine Haare
- ...
sind alarmierend – sowohl bei Kindern als bei Erwachsenen.
Wie kann es gelingen?
Stark und authentisch fühlen wir uns, wenn wir „wir selbst sein können“, „zu uns stehen können“ und „in uns ruhen können“. Für eine gelingende Erziehung unserer Kinder ist es wichtig, welche Vorbildfunktion und Haltung wir selbst und unserem Leben gegenüber einnehmen. Entsprechend ehrlich müssen wir uns selbst gegenüber sein, egal ob mit oder ohne Kind. Sonst senden wir stets widersprüchliche Signale.
Es ist eine Herausforderung authentisch zu sein. Ziel ist, das Selbstvertrauen und den Selbstwert zu inspirieren um sich und andere zu ermutigen. Hier einige Vorschläge:
Selbstvertrauen: Werde etwas!
- Schulen Sie Ihre Fähigkeiten. Werde Sie erstklassig in dem, was Sie tun, was Sie tun müssen, was Sie sich vornehmen und worin Sie talentiert sind,
- Üben Sie sich in Ihren Fertigkeiten, um zufrieden und glücklich über das Erreichte zu sein.
Selbstwert: Seien Sie Sie selbst!
- lernen Sie sich selbst kennen und bleiben Sie sich selbst, Ihren Gefühlen, Bedürfnissen, Wünschen, Träumen, Hoffnungen und angeborenen Eigenschaften treu,
- entwickeln Sie Ihre Eigenschaften und lassen so neue Fähigkeiten entstehen,
- machen Sie Ihre Freude, Ihren Stolz, Ihre Haltung und Zufriedenheit zur Richtschnur
Obwohl Selbstvertrauen und Selbstwert grundverschieden sind, zeigt die Aufzählung, dass beide Begriffe miteinander verbunden sind. Beide müssen Hand in Hand gehen, denn Eigenschaften und Fähigkeiten gehören zusammen.
Ein Mensch mit starkem Selbstwert, der davon überzeugt ist, einzigartig und wertvoll zu sein, der sich geliebt und als Person wertgeschätzt fühlt, der seine Eigenschaften akzeptiert und anerkennt, wird auch Vertrauen zu seinen Fähigkeiten entwickeln. Ein Mensch mit einem starken Selbstwert verfügt über Selbstrespekt, Mut und Schaffensdrang, er begegnet den gestellten Aufgaben mit Lust und Zutrauen. Er empfindet Freude dabei, sich weiterzuentwickeln und zu wissen, dass sein Beitrag zur Gemeinschaft als wichtig und wertvoll erachtet wird.
Reichen deren Fähigkeiten bei einer Aufgabe nicht aus, versuchen sie sich zu verbessern, oder sie geben das Vorhaben ab und erfreuen sich an den Fähigkeiten, mit denen sie in anderen Bereichen erfolgreich sind. Der Selbstwert (und damit der Mensch selbst) ist durch temporäres Scheitern oder Verunsichern nicht zu erschüttern und wird keine Gefühle von Versagen und Wertlosigkeit zulassen.
Im nächsten Beitrag erfahren Sie, was Sie für ein starkes Selbstwertgefühl und gesundes Selbstvertrauen tun können. Wenn Sie keinen Beitrag mehr verpassen möchten, tragen Sie sich in die Mailliste rechts ein.
Herzliche Grüße - Ihre Kathrin Stavenhagen