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Drei auf einen Streich


Am Samstag in der Praxis verließ mich die Lust an Papierkram & Co. Stattdessen machten sich die Anforderungen und Erwartungen, mit denen ich schon eine Weile „schwanger gehe“, ganz deutlich bemerkbar. Ok, dachte ich mir, gehe ich es an; wann wenn nicht jetzt. Ich schaue mir das heute richtig an. Zeit hatte ich (der Papierkram kann warten) und mein Handwerkszeug dafür auch, schließlich mache ich das täglich – heute mache ich Therapie mit mir selbst. Zugegeben, dass kam mir schon ein wenig schräg vor, aber manchmal muss man zu ungewöhnlichen Mitteln greifen und ich kenne doch meine Methoden und weiß um deren Wirksamkeit – also, los ging es.

Meine Vorgehensweise stammt aus der “Ego-State-Therapie” (Ich/Persönlichkeits-Anteile-Therapie), bei welcher der Therapeut sowohl mit dem Klienten als Gesamtpersönlichkeit, als auch mit ausgewählten Persönlichkeitsanteilen spricht. So wie mit realen Personen auch, sie miteinander ins Gespräch bringt, jeden Einzelnen respektiert und mit ihnen als „innere Familie“ eine Therapiesitzungen gestaltet. Ungewöhnlich - aber es funktioniert …

So habe ich das „Ich meiner Anforderungen“, das „Ich meiner Erwartungen“ und das „Ich meines gegenwärtigen Erlebens“ zur Therapie eingeladen. Und wie bei allen Sitzungen, ihnen jeweils ein Glas Wasser und einen Platz angeboten.

Dann ging es auch schon los. Nach einer anfänglichen Betroffenheit der Drei, kamen ganz viele Emotionen und Ängste hervor. Jeder fühlte sich von den anderen zu wenig gewürdigt und beklagte, zu wenig Raum zu haben und kaum gesehen zu werden.  Das „Ich der Anforderungen“ klagte, dass es immer nur um die Erwartung gehe und keiner sieht, was sie alles leiste. Das „Ich meines gegenwärtigen Erlebens“ meinte auch, dass es immer nur darum gehe, was erwartet wird, und seine Beiträge werden meistens nicht einmal bis zu Ende angehört. Das „Ich der Erwartungen“ beanstandete ebenso, keine Unterstützung von den anderen zu bekommen. Ich fragte das „Ich meines gegenwärtigen Erlebens“ was es denn besser fände und was hilfreich wäre. Dann fragte ich die Erwartung, wie sie das Verhältnis der beiden anderen Ichs wahrnimmt und bewertet und fragte das „Ich der  Anforderungen“, was sie mit all dem anfangen könnte. Ich verhielt mich ganz neutral und machte mit ihnen Familientherapie.

Alle drei entwickelten nach kurzer Zeit, nachdem dem Kummer Ausdruck gegeben werden konnte, gute Ideen für eine gelingende zukünftige Zusammenarbeit. Sie erinnert sich beispielsweise an die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen und vereinbarten Zeiten in denen sie arbeiten, und Zeiten in denen sie ausruhen dürfen. Sie beschlossen gemeinsam mehr mit dem "Ich des gegenwärtigen Erlebens“ zusammenzuwirken und vereinbarten, dass sich das „Ich der Anforderungen“ mit dem „Ich der Erwartungen“ besprechen, um abzuwägen, was wichtig und nährend ist, oder eher unwichtig und zehrend ist.  Zum Schluss vereinbarten sie, nur noch die wichtigen und nährenden Anforderungen und Erwartungen als Grundlage für ein gesundes gegenwärtiges Erleben zu übernehmen – und dann kraftvoll neu erleben zu lernen.

Als alle wieder zufrieden waren, bedankte ich mich bei ihnen, beendete die Stunde und verabschiedete sie. Dieses Therapiegespräch klingt seitdem so kraftvoll in mir nach und hat in mir eine beglückende Stimmung hinterlassen, die ich nun in meinen Alltag mitnehme.

Ihnen alles Gute - Ihre Kathrin Stavenhagen

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